Forschung
Die Forschungsarbeiten unserer Gruppe befassen sich mit den Veränderungen der Struktur und der Funktionsweise mariner Ökosysteme unter dem Druck des Menschen, z. B. durch den Klimawandel und die Fischerei. Ziel unserer Arbeit ist es, einen Beitrag zu einem nachhaltigen, ökosystembasierten Management zu leisten, das die Bedürfnisse, Weltanschauungen und Potenziale der Ressourcennutzer und der an den Fischereisystemen beteiligten Akteure ausdrücklich berücksichtigt. Unser Ansatz basiert zwar auf den Naturwissenschaften, ist aber zunehmend transdisziplinär und beinhaltet die direkte Interaktion und Wissensbildung mit nicht-wissenschaftlichen Personen und Gruppen.
Foto: Saskia Otto IHF
Saskia Otto: "Ein Fokus meiner Arbeit ist die Entwicklung geeigneter Indikatoren für ein fundiertes Ökosystem-basiertes Management mariner Systeme. Indikatoren sind nützliche und vielseitige Werkzeuge die in verschiedensten Gebieten der Technik, Chemie, Medizin, Ökonomie oder Soziologie zum Einsatz kommen. Eine der Hauptaufgaben von Indikatoren im Ökosystem-basierten Management ist die Anzeige des Ist-Zustands einer Ökosystem-Komponente sowie die anschl. Bewertung einer Managementmaßnahme um diese Komponente in einen bestimmten Soll-Zustand zu überführen. Die Entwicklung solcher Indikatoren ist aktuell besonders in der EU im Rahmen der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) gefragt, welche dem Schutz, der Erhaltung und - wo durchführbar - der Wiederherstellung der Meeresumwelt dienen soll. Alle europäischen Meeresanrainerstaaten sind danach verpflichtet, in ihren jeweiligen Meeresregionen durch die Erarbeitung und Durchführung von nationalen Strategien die Ziele der MSRL umzusetzen. Die Beschreibung eines guten Umweltzustands (Good Environmental Status: GES) soll anhand elf sog. qualitativer Deskriptoren (D1-D11) vorgenommen werden, wie z.B. der Erhalt der biologischen Vielfalt (D1) oder die Stabilität der Nahrungsnetze (D4). Um einen GES zu erreichen, braucht es idealerweise operative Indikatoren, die nicht nur den Zustand eines Deskriptors beschreiben, sondern auch definierte Richt- und Grenzwerte haben anhand derer Managementmaßnahmen auszulösen sind, sowie klar definierte und gut verstandene Beziehungen zu den Belastungsfaktoren (pressures) auf die Managementmaßnahmen wirken können, wie z.B. die Fischereimortalität. Letzteres ist besonders wichtig um den Erfolg einer Maßnahme messen und vorhersagen zu können, allerdings auch außerordentlich schwer für stochastische und komplexe adaptive Systeme wie das Nahrungsnetz. Der bisherige Fokus in der MSFD Indikatoren Entwicklung lag stark auf Kriterien wie der Messbarkeit, der wissenschaftlichen Fundiertheit oder Datenverfügbarkeit. Andere Kriterien wie die Sensitivität gegenüber Belastungsfaktoren und die Robustheit wurden dagegen bisher oft außer Acht gelassen. Zusammen mit Kollaborateuren und PhD- und Masterstudenten, die ich Co-betreue, arbeite ich an Rahmenwerken und Applikationen (z.B. das R Paket ‚INDperform‘) zur Validierung von Indikator-Kandidaten und den zugrunde liegenden Daten. Anhand dessen wird die Eignung verschiedenster MSFD Indikatoren getestet, Managementszenarien eruiert und GES verschiedener Europäischer Systeme anhand robuster Indikator-Sets verglichen. Im Rahmen des Bonus Projekts BLUEWEBS erforsche ich neben den typischerweise taxonomisch basierten MSFD Indikatoren für D1 (Diversität) und D4 (Nahrungsnetz) das Potenzial trait-basierter Kandidaten für das pelagische System der Ostsee. Sog. traits, also Eigenschaften von Arten, haben den Vorteil, das sie neben der Struktur einen Einblick in die Funktionsweise des Ökosystems liefern."
Foto: Jens Floeter IHF
Offshore Wind Parks
Die Konstruktion von großen Offshore Wind Parks (OWPs) in der deutschen AWZ bewirkt eine strukturelle Änderung im Ökosystem der Deutschen Bucht. Die Unterwasserstrukturen beeinflussen die lokale Hydrodynamik derart, daß auf ihrer strömungsabgewandten Seite Wirbelschleppen entstehen.
Neben den Effekten durch die direkte Verwirbelung der Wassersäule an den Fundamenten (Interner Wake Effekt), ist ein weiterer und weitestgehend unerforschter Effekt auf das Pelagial zu erwarten: Das Windfeld wird durch die Energie-Extraktion der rotierenden Flügel abgeschwächt und abgelenkt. Diese Änderungen in der atmosphärischen Turbulenz induzieren Änderungen in der Hydrodynamik der Wassersäule. Der sogenannte Wind Wake Effekt beschreibt die Ausdehnung und Intensität der so anthropogen induzierten Auftriebs-, und Abtriebs-Zonen. Theoretische Arbeiten haben gezeigt, daß sich diese Zonen auf das über 100-fache der Fläche des OWPs ausdehnen können. So wird erwartet, daß dieser Effekt je nach Windgeschwindigkeit zu kurzen oder auch längeren Auftriebsprozessen in der sommerlich stabil geschichteten Nordsee führt, welche neue Nährstoffe in die ausgezehrten oberen Wasserschichten pumpen. Diese Nährstoffe würden die Primärproduktion steigern, woraufhin sich evtl. raum-zeitlich versetzt die Sekundärproduktion erhöht, was letztlich zu einer Qualitätsänderung des Habitats auch für pelagische Fischarten führen könnte.
Unter Einsatz des Remotely Operated Towed Vehicle (ROTV) TRIAXUS konnte die AG von Prof. Christian Möllmann in Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht und dem Institut für Meereskunde der UHH erstmals empirisch die Auswirkungen des Internen Wake Effekt auf das sommerliche Pelagial quantifizieren. Die Untersuchungen des Wind Wake Effekts sind Inhalt der aktuell durchgeführten seegehenden Forschungsreisen
Foto: André Eckhardt IHF
TRIAXUS System
geschleppter Geräteträger mit
CTD, LOPC, Hydroakustik, Video-Plankton-Recorder, Fluoreszenz-, & Licht-Sensoren
Das System wird undulierend mit 8kn hinter einem Forschungsschiff geschleppt und liefert hochaufgelöste physikalische und biologische Daten der Wassersäule.
Foto: Jens Floeter IHF
Schleppnetz-Fischerei
Für die Bestimmung der Arten und Größen der Fische im Meer reicht die Aufzeichnung mit hydroakustischen Systemen nicht aus.
Deshalb sind für die Frage, ob sich die räumliche Verteilung der Fische im Meer durch den Klimawandel ändert, wissenschaftliche Fänge mit einem Schleppnetz erforderlich.