Meta-Analyse des GRK2530Interaktionen von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen haben starke Auswirkungen auf den Kohlenstoffkreislauf
11. Januar 2022, von MIN-Dekanat

Foto: GRK2530/Neiske
In einer Meta-Analyse konnte ein Forschungsteam des Graduiertenkollegs 2530 der Universität Hamburg zeigen, dass eine Vielzahl von Interaktionen zwischen Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen starke Auswirkungen auf den Kohlenstoffkreislauf in Mangroven, Salzmarschen und Seegraswiesen haben. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift „Ecology Letters“ veröffentlicht.
Vegetationsreiche Küstenökosysteme wie Mangrovenwälder, Seegraswiesen und Salzmarschen nehmen riesige Mengen an Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf. Die Speicherung dieses sogenannten „blauen Kohlenstoffs“ ist eine der wichtigsten Leistungen von Küstenökosystemen. Allein die Salzmarschen des Wattenmeers an der deutschen Nordseeküste lagern jährlich etwa 20.000 Tonnen Kohlenstoff ein.
Auch Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, sogenannte Biota, spielen eine wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Allerdings sind ihre Auswirkungen auf die Speichermöglichkeit in den blauen Küstenökosystemen bis heute nur unzureichend untersucht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg haben nun im Rahmen einer Meta-Analyse von insgesamt 212 Studien einen Rahmen entwickelt, der die Bedeutung biotischer Interaktionen, zum Beispiel zwischen Pflanzen und Tieren oder Pflanzen und Mikroorganismen bei der Regulierung des Kohlenstoffkreislaufs in Küstenökosystemen veranschaulicht.
Die Auswirkungen biotischer Interaktionen auf den Kohlenstoffkreislauf wurden dabei über drei verschiedene räumliche Skalen hinweg untersucht: Die Rhizosphäre, d.h. der unmittelbar durch eine Wurzel beeinflusste Raum im Boden, ist durch starke biotische Interaktionen zwischen Pflanzen, Bodenfauna und Mikroorganismen gekennzeichnet. Biotische Interaktionen auf der Ökosystemskala beziehen sich auf Interaktionen von Organismen, die oberirdisch stattfinden. Dazu gehören zum Beispiel das Abgrasen der Salzwiesenvegetation durch Schafe oder der Wettbewerb zwischen verschiedenen Pflanzenarten an einem bestimmten Standort. Auf der Landschaftsebene werden biotische Interaktionen betrachtet, die über die Grenzen verschiedener Ökosysteme hinweg wirken, zum Beispiel durch die Migration von Fischen oder Zugvögeln.
„Wir konnten mit unserer Meta-Analyse zeigen, dass eine Vielzahl von wechselseitigen, positiven wie negativen Interaktionen zwischen Pflanzen, Tieren und Mikrobiota starke Auswirkungen auf den Kohlenstoffkreislauf auf verschiedenen räumlichen Ebenen haben, von der Rhizosphäre bis zur Landschaftsebene“, sagt Dr. Peter Müller, Leiter der Studie und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Angewandte Pflanzenökologie im Fachbereich Biologie der Universität Hamburg.
Interaktionen von Tieren und Pflanzen, Tieren und Mikrobiota sowie Mikrobiota und Pflanzen hatten auf Ebene der Rhizosphäre hauptsächlich positive Auswirkungen auf die Produktion und den Abbau von organischer Masse. Dagegen hatten diese drei Interaktionstypen auf der Ökosystem-Skala hauptsächlich negative Auswirkungen. „Das zeigt, dass Interaktionen von Pflanzen, Tieren und Mikrobiota in der Rhizosphäre die Möglichkeit haben, die Menge des durch das Bodensystem zirkulierenden Kohlenstoffs zu erhöhen“, sagt Prof. Dr. Kai Jensen, Sprecher des Graduiertenkollegs 2530 der Universität Hamburg und Mitautor der Studie. „Ein besseres Verständnis der biotischen Interaktionen in der Rhizosphäre wird daher entscheidend sein, die Variationen des Kohlenstoffkreislaufs in verschiedenen Modellen zu erklären und sollte als eine der wichtigsten Prioritäten bei der zukünftigen Modellierung zur Kohlenstoff-Festlegung im Küstenraumbeachtet werden.“
Auf der Ökosystem-Skala hatten Tier-Pflanzen-Interaktionen den stärksten negativen Effekt. Die Tiere verringerten die Pflanzenproduktion in allen Ökosystemen im Durchschnitt um 27 Prozent.
Weiterhin konnte das Forschungsteam über die Studie zeigen, dass die Auswirkungen biotischer Wechselwirkungen auf den Kohlenstoffkreislauf durch verschiedene Klimafaktoren erheblich beeinflusst werden. Auf der Ebene der Rhizosphäre nahmen die Auswirkungen von Pflanzen- Mikrobiota-Interaktionen auf den Abbau von organischer Masse mit steigender Temperatur und Strahlung ab. „Das deutet darauf hin, dass sich die Bedeutung des durch Biota vermittelten Kohlenstoffkreislaufs unter künftigen Klimabedingungen ändern wird“, sagt Dr. Peter Müller. „Die Einbeziehung neuer funktioneller Gruppen in diese Modelle und neue Ansätze zur Vereinfachung der Interaktionen zwischen den Arten könnten daher die Vorhersagen der biotischen Auswirkungen auf das globale Klima verbessern.“
Originalpublikation
Linjing Ren, Kai Jensen, Philipp Porada, Peter Mueller: Biota-mediated carbon cycling – a synthesis of biotic-interaction controls on blue carbon, Ecology Letters 2021, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/ele.13940