Forschung
Projekte
Pflanzliche Rohstoffe im Wandel der Zeit: Die Hamburger Nutzpflanzensammlung als Archiv für die Zukunft
Im Verlauf des 19. Jhs. nahm die Vielfalt der gehandelten pflanzlichen Rohstoffe (z. B. Nahrungs- und Genussmittel, Ölsaaten, Fasern, Gerb- und Färbestoffe, Werkstoffe, Arzneidrogen) insbesondere durch den Tropenhandel derart zu, dass sich die Kaufleute immer weniger auf ihr empirisches Wissen und die geläufigen Warenlexika verlassen konnten. Auch die Hamburger Kaufmannschaft besaß ein lebhaftes Interesse an der Errichtung einer Institution, die verlässliche Auskünfte über Eigenschaften und wertbestimmende Merkmale pflanzlicher Rohstoffe liefern konnte. Im Rahmen einer Dissertation wird daher untersucht, welche Rolle die Hamburger Kaufleute bei der Gründung des Hamburger Botanischen Museums 1883 spielten, ob sich deren Einfluss auch in der Zusammensetzung der Botanischen Sammlung widerspiegelt und inwieweit sich durch die frühe Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Handels eine Pfadabhängigkeit in der weiteren Entwicklung des Museums und der Hamburger Angewandten Botanik nachweisen lässt.
Die Nutzpflanzensammlung des Loki Schmidt Hauses, die auf das einstige Botanische Museum zurückgeht, ist nach der Kew Economic Botany Collection die zweitgrößte der Welt. Der Wert einer solchen Sammlung für die Untersuchung biogeographischer, ökologischer, phänotypischer und genotypischer Veränderungen und evolutionärer Prozesse liegt auf der Hand. Ferner ergeben sich Perspektiven und Anregungen für Forschungen über den Ersatz petrochemischer Produkte durch pflanzliche Rohstoffe. Um die Aussagekraft der Sammlungsobjekte besser einschätzen zu können, z. B. hinsichtlich collection biases, werden die historischen Zeitumstände analysiert, unter denen die Objekte gesammelt wurden, sowie die im Kontext des Sammelns entstandenen Aufzeichnungen, Photos und anderen Archivalien.
Traditionelle Verfahren der indigenen Bevölkerung Kolumbiens zur Stechmückenkontrolle. Untersuchung der Wirksamkeit pflanzenbasierter Repellentien und Lockmittel
Die Verwendung von Pflanzen und natürlichen Pflanzenprodukten zur Abwehr von Insekten und anderen Arthropoden reicht bis in das Alte Ägypten und die griechisch-römische Antike zurück. In Ländern mit niedrigem Durchschnittseinkommen spielen trotz der Einführung synthetischer Produkte wie DEET auf volkskundlichem Wissen beruhende Repellentien nach wie vor eine große Rolle. Dieses über viele Jahrhunderte überlieferte, erfahrungsbasierte biologische Wissen ist nicht nur von wissenschaftshistorischem Interesse, sondern konnte von der modernen Wissenschaft oftmals bestätigt werden.
Auch in Kolumbien verwenden indigene Völker verschiedene pflanzenbasierte Repellentien, deren Wirksamkeit bisher noch nicht systematisch erforscht worden ist. Ein anderer Ansatz der Vektorkontrolle besteht im Einsatz von Lockpflanzen, die auf Insekten, speziell Stechmücken, eine anziehende Wirkung ausüben, da sie z. B. als Nektarquelle dienen. Im Sommer 2016 wurden im Rahmen einer Doktorarbeit Freilandversuche in der Nähe der Stadt Candelaria im Valle del Cauca (Kolumbien) durchgeführt, um eine anziehende Wirkung von Parthenium hysterophorus L. sowie eine repellente Wirkung von Petiveria alliacea L. auf Stechmücken zu testen.
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) als Techniker: Pumpspeicherkraftwerke à la 17. Jh.
Der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) stellte in den Jahren 1680 bis 1685 mathematische, physikalische und technische Untersuchungen an, um zu klären, wie sich die Windkraft für die Zwecke des Bergbaus im Harz nutzen lässt. Ein Hauptproblem des Bergbaus bestand darin, das laufend in die Gruben eindringende Grundwasser zu entfernen. Hierfür wurden seit dem Mittelalter wasserkraftgetriebene Mühlen eingesetzt, an die Pumpen angeschlossen waren. Um dieses System zu optimieren, setzte Leibniz auf die Windkraft, die auf zwei verschiedene Weisen genutzt werden sollte. Zum einen beabsichtigte er, Vertikalwindmühlen und die in Europa kaum bekannten Horizontalwindmühlen einzusetzen, um die Pumpen anzutreiben. Ferner plante er, mit Hilfe von Windmühlen das Ablaufwasser der Wassermühlen in höher gelegene Speicherteiche zu pumpen, von wo aus es erneut die Wassermühlen antreiben konnte, so dass ein Kreislauf entstand. Es handelt sich dabei um eine Art Pumpspeicherkraftwerk, bei dem die durch die Windkraft gewonnene Energie unmittelbar in Form der potentiellen Energie des Wassers gespeichert wird. Um seine ehrgeizigen Pläne einer „vorteilhaffte[n] conjunction windes vndt waßers“ zu realisieren, entwarf Leibniz nicht nur Horizontalwindmühlen, sondern auch Regelungstechniken, um den Lauf und Betrieb von Vertikalwindmühlen zu optimieren.
Unter anderem erfand Leibniz einen Mechanismus, mit Hilfe dessen sich die Windmühlenhaube, an der die Flügel befestigt sind, unter Einfluss des Windes selbsttätig in den Wind drehen sollte. Die uns bekannte Windrose, die diesen Zweck erfüllt, wurde erst 1743 in England erfunden. Allerdings entwarf Leibniz keine Windrose, sondern einen völlig anderen Mechanismus zur Flügelnachführung („Leibniz-Regler“). Eine von Leibniz angefertigte handschriftliche Beschreibung dieses Mechanismus sowie die dazugehörige Zeichnung sind erhalten und dienen als Basis für eine Edition des Textes. Ferner wurde ein Modell im Maßstab 1:10 angefertigt, mit dem in Freiland- und Windkanalversuchen die Funktionstüchtigkeit des Leibniz-Reglers getestet werden soll. Eine Computeranimation dient der Veranschaulichung des Bewegungsablaufs.
Der Verlust der mittelalterlichen universitären Disputationskultur und seine Auswirkungen auf die Entwicklung der frühneuzeitlichen Astronomie und Kosmologie
Die wissenschaftliche Revolution des 16. bis 18. Jhs. ist in besonderem Maße geprägt durch die Auseinandersetzungen um das copernicanische Weltsystem. Viele Astronomen betrachteten das copernicanische heliozentrische Weltsystem lediglich als ein mathematisches Modell, mit dem sich die Bewegungen der Himmelskörper besser berechnen ließen, und hielten ansonsten in kosmologischer Hinsicht am geozentrischen Weltbild fest. Copernicus selbst jedoch war von der physikalischen Realität seines Weltsystems überzeugt und entwickelte eine naturphilosophische Alternative zu den aristotelischen physikalischen Vorstellungen von Schwere, Leichtigkeit und Elementbewegung, die bisher als Stütze des geozentrischen Weltsystems gedient hatten.
Die Physik des Copernicus wurde allerdings sowohl von den Gegnern als auch den Anhängern seiner Lehre weitgehend ignoriert. In der Folge kam es zu einer starken inhaltlichen Verarmung der kosmologischen Diskussion in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. und Anfang des 17. Jhs., gerade auch an den Universitäten. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass im 14. Jh., also zur Zeit des Mittelalters, an der Universität Paris intensive und lebhafte Diskussionen über die theoretische Möglichkeit einer Erdrotation stattgefunden hatten. Im Vergleich zur Disputationskultur an mittelalterlichen Universitäten hinterlassen die kosmologischen Diskussionen des 16. und 17. Jhs. oft einen stereotypen und unmotivierten Eindruck. In einem gemeinsamen Projekt mit Prof. Kühne (München) wird der Frage nachgegangen, was den Verlust der mittelalterlichen Disputationskultur bedingte und welche Auswirkungen dies auf die Entwicklung der frühneuzeitlichen Astronomie und Kosmologie hatte.