Prof. Dr. Michael Köhl
11. Januar 2016, von Florian Zeller
Foto: SWR
Wie viel CO2 binden Bäume wirklich? Heizen dunkle Nadelwälder das Klima stärker auf als Laubwälder? Prof. Dr. Michael Köhl im Interview in der Sendung SWR2 Campus.
Aufforstungen als Klimaschutzmaßnahme – ist das generell und überall sinnvoll?
Das macht vor allem in den Ländern Sinn in denen die CO2-Bilanz von Wäldern nicht mehr ausgeglichen ist. Das haben wir vor allem in den Tropen und Subtropen, wo wir großflächige Waldbrände zu beobachten haben.
Jedes Jahr werden circa 10 - 15 % der globalen Treibhausemissionen durch das Abbrennen von Wäldern verursacht: wenn wir an die Waldbrände in Indonesien denken, die jüngst durch die Presse gingen, dann wurde bei diesen Waldbränden so viel CO2 freigesetzt wie in Deutschland im gesamten Jahr 2015 freigesetzt wurde.
Und dieser Prozess kann durch Aufforstungen verhindert oder zumindest kompensiert werden.
Manche Forscher sagen, es komme auch darauf an, in welcher Region die Wälder aufgeforstet werden. In polaren Regionen mache es eher weniger Sinn, da die dunklen Waldflächen mehr Wärme absorbieren und so eher noch zur Erwärmung beitragen.
Ja, das ist der sogenannte „Albedo-Effekt“. Wälder sind dunkle Flächen in der Landschaft und so wie man sich im Sommer in ein helles oder in ein dunkles Auto setzt, ist das dunkle Auto wärmer. Genauso führen Wälder auch dazu, dass sich die Temperatur erhöht.
Allerdings weiß noch niemand, wie genau sich der „Albedo-Effekt“ auf die Temperatur auswirkt. Wir halten die CO2-Bindung aus der Atmosphäre für den wichtigeren Effekt. Somit ist damit der Anbau von Aufforstungsflächen überall zu empfehlen.
Wo auf der Welt finden zur Zeit am meisten Aufforstungen statt?
Das passiert vor allem in den Tropen und Subtropen. In unseren Breiten gibt es ja nur sehr wenige Flächen, die man aufforsten könnte: das sind Brachflächen aus der Landwirtschaft oder ehemalige Tagebauflächen, insgesamt aber nicht sehr viele.
In den Tropen werden sehr viele Wälder gerodet, das ist die ganz typische Landnutzungsabfolge. Zunächst hat man Wald, dieser wird dann abgeholzt und in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt. Etwa 80 % der globalen Entwaldung ist auf landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen.
Wenn die Landwirtschaft die Nährstoffe aus dem Boden aufgebraucht hat, wird der Boden vielleicht als Weidefläche benutzt aber dann fällt er als Brachfläche an. Und genau diese nährstoffarmen Brachflächen kann man verwenden um wieder Bäume anzubauen.
Für Förster sind diese Standorte sehr kritisch. Wir sprechen hier von degradierten Standorten, weil diese nur noch ein sehr geringes Nährstoffpotenzial im Boden haben. Dort kann man nur sehr genügsame Baumarten anbauen, Akazien etwa. Diese haben aber nur ein sehr geringes Wachstum und damit eine sehr geringe CO2-Bindungsleistung. Dennoch kann man sagen: wenig ist immer noch mehr als gar nichts.
Baden-Württemberg will seine Naturwaldfläche verdoppeln. Bis 2020 soll 10 % des landeseigenen Waldes Naturwald sein. Das soll vor allem dem Naturschutz dienen – aber bringt das auch dem Klima etwas?
Ja, da Naturwälder CO2 speichern. Sie haben eine relativ hohe Biomasse und damit auch Kohlenstoffvorrat. Das kommt beim Wald vor allem auf die Bindungsleistung an, also die Frage: wie viel CO2 zieht der Baum tatsächlich aus der Atmosphäre heraus?
Aber: Wir wissen, dass Bäume die sehr gut wachsen, wie die Douglasie bei uns, auch sehr viel CO2 aus der Atmosphäre entfernen und dass man dieses Holz sehr gut, zum Beispiel als Konstruktionsholz im Bau, verwenden kann. In diesen Wäldern die sich selbst überlassen werden, geraten die Wälder selbst irgendwann in einen Gleichgewichtszustand, indem die Biomasse nicht mehr wächst, sondern in dem Umfang, in dem Bäume wachsen, andere dafür absterben. In diesem Stadium binden sie dann kein zusätzliches CO2 mehr.
Für die CO2-Bilanz wäre es also besser einen Nutzwald zu pflanzen und das Holz dann zu verbauen, wo es weiter als Holz existiert und das CO2 speichert und neue Bäume dann nachwachsen zu lassen?
Im Prinzip ja, aber so einfach ist das nicht. Wenn wir auf optimalen Holzzuwachs setzten, dann müssten wir Monokulturen anbauen, wo die Bäume möglichst auch noch alle gleich alt sind.
Und das widerspricht natürlich dem Biodiversitäts- und Naturschutzgedanken. Daher muss man irgendwo diesen Mittelweg finden zwischen Naturschutz und Biodiversitätserhaltung einerseits und Holzproduktion und damit CO2-Bindung andererseits. Richtig ist aber, dass Holz, das zu Möbeln oder Häusern verarbeitet wird, das CO2 weiterspeichert.
Das Abholzen und Aufforsten von Wäldern fließt auch immer in die Klima- bzw. Treibhausgasbilanz eines Landes ein. Kann man Wald so einfach in Treibhausgase umrechnen?
Das Problem besteht darin, dass sie nicht einfach mit einem Messgerät in einen Wald gehen können und den CO2-Gehalt bestimmen können. Der Kohlenstoff wird zum einen im Boden gespeichert, zum anderen aber in der Biomasse und die Bäume setzen sich zusammen aus Stämmen, der Krone und den Wurzeln. Das heißt der Kohlenstoffgehalt könnte man aus dem Gewicht der Bäume berechnen. Im Wald kann man aber schwer Bäume wiegen. Dazu muss man sie fällen und zerlegen. Das nur in Ausnahmefällen für wissenschaftliche Studien getan. Dann kann man die einzelnen Teile wiegen und daraus das Gewicht ermitteln.
In der Praxis macht man das anders: man erfasst das Volumen der Bäume. Das geht beim Stamm ganz einfach: man nimmt die Länge und Querfläche des Stammes. Das sind ganz normale geometrische Körper, also Säulen oder Kegelabschnitte.
Schwieriger wird es bei der Krone und fast unmöglich bei der Wurzel, die ja im Boden steckt. Man kennt jetzt aber das durchschnittliche Verhältnis von Volumen im Stamm, Krone und Wurzeln und kann das dann somit ins Verhältnis setzen und das Gesamtvolumen von Bäumen berechnen. Und man weiß, dass circa 50 % des Gewichtes Kohlenstoff ist und kann damit berechnen wie hoch der Kohlenstoffgehalt eines Baumes oder eines Waldes ist.
Das kann man dann hochrechnen. Und so darf Deutschland sich beispielsweise wegen seiner Waldschutzmaßnahmen 1,24 Mio Tonnen Kohlenstoff „gutschreiben“. Tatsächliche dürfte die Senkenwirkung der Wälder deutlich über diesem Wert liegen.
Diese Woche kam eine Studie vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena heraus. Die Forscher haben den Waldbestand in der Taiga untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die sibirische Taiga – die heute hauptsächlich aus Nadelbäumen besteht – im Zuge des Klimawandels ihr Gesicht verändern wird. Es wird mehr Laubwald dominieren, somit auch ein lichterer Wald werden wird, der heller ist und mehr Licht und Wärme abstrahlt, was sich auch auf das Klima auswirken wird. Und die Forscher schreiben, diese Veränderungen in den borealen Wäldern würden sich massiv auf das Weltklima auswirken. Wie schätzen Sie das ein?
Es ist klar, dass sich durch die globale Erwärmung die Vegetationsgrenzen und gerade auch die Verbreitungsgrenzen von einzelnen Baumarten sowohl nach Norden verschieben als auch in die Höhe. Damit werden wir, gerade auch in Sibirien einen Baumartenwechsel haben.
Es ist ja so, dass in kalten Klimaten generell Nadelbäume stehen. Das liegt daran, dass in kalten Regionen die Vegetationszeiten sehr kurz sind: das heißt ein Baum hat eigentlich gar keine Zeit in einer kurzen Vegetationsperiode sein Laub zu entfalten. Die Nadeln können sofort wenn es warm wird mit der Photosynthese beginnen und das wird dazu führen, dass wir in nördlicheren Breiten zunehmend Laubbaumarten haben.
Aber der Eindruck ist schon richtig, dass im Moment in dieser Richtung sehr viel geforscht wird und viele Zusammenhänge noch nicht so ganz klar sind?
Es wird im Moment relativ viel geforscht, das liegt daran, dass das Leben eines Baumes immer davon geprägt wird, welcher Wachstumsfaktor im Moment ins Minimum gerät.
Wenn wir zum Beispiel an Deutschland denken, gibt es ja die Klimamodelle und Klimaszenarien die besagen, dass wir vor allem im Norddeutschland in Zukunft zwar über das Jahr gesehen mehr Niederschlag haben werden, aber wir vor allem diesen Niederschlag in den Wintermonaten bekommen werden. Die Sommermonate werden gekennzeichnet sein durch längere Perioden in denen kein Niederschlag fällt.
Das heißt diese langen Perioden der Trockenheit werden dazu führen, dass Bäume in Stress geraten und zum Beispiel Laubbäume wesentlich früher ihr Laub abwerfen. Damit sinkt das Wachstum und damit auch die Sequestrierung von CO2.
SWR2 Campus. Von Gabor Paal. Online: Gabor Paal & Louisa Domhan
Stand: 8.1.2016, 11.26 Uhr