Arbeitsgruppe Prof. Dr. Sigrun Reumann

Obwohl lebensnotwendig sind Peroxisomen von Tieren, Pilzen und insbesondere von Pflanzen noch unzulänglich erforscht. Gerade in den letzten Jahren sind völlig unerwartete Kompetenzen und Aufgaben dieses Zellorganells entdeckt worden, beispielsweise in der pflanzlichen Immunantwort sowie in der Biosynthese von Biotin und Phyllochinon.

Um neue Peroxisomenproteine und –funktionen aufzudecken, hat unsere Arbeitsgruppe zwei komplementäre Strategien entwickelt. Zum einen haben wir die experimentelle Proteomforschung für Blattperoxisomen der Modellpflanze Arabidopsis etabliert und entscheidend zur Identifizierung von ca. 50 neuen Peroxisomenproteinen beigetragen (Reumann et al., 2007, 2009; Babujee et al., 2010). Gegenwärtig versuchen wir, über differentielle Proteomanalysen weitere Peroxisomenproteine zu identifizieren, die eine entscheidende Rolle in der athogenabwehr und bei der Toleranz abiotischer Stressbedingungen spielen.

Zum anderen entwickeln wir in Zusammenarbeit mit Dr. Thomas Lingner (Universität Göttingen) mit Methoden des maschinellen Lernens neue Algorithmen, um Peroxisomenproteine, die ein Zielsteuerungssignal des Typs 1 (PTS1) besitzen, aus Genomsequenzen vorhersagen zu können (Lingner et al., 2011). Über den Server „PredPlantPTS1“ (http://ppp.gobics.de) wurden diese Vorhersagemodelle der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt (Reumann et al., 2012). Gegenwärtig verbessern wir diese Modelle in iterativen Ansätzen, indem Bioinformatik und experimentelle Untersuchungen kombiniert werden (Skoulding et al., 2014). Zudem sind neue Modelle zur Vorhersage von PTS2-Proteinen in Arbeit und werden durch subzelluläre in vivo-Lokalisationsstudien validiert.

Diese Forschungsarbeiten werden gefördert durch das Projekt „Perox-MPI“ (2011-2015) des Norwegischen Forschungsrates und das EU Marie Curie Initial Training Network (ITN) „PERFUME“ (PERoxisome, FUnction, MEtabolism, 2013-2016) und werden bearbeitet durch die Doktoranden Manish Budathoki, Piotr Lisik und Delphine Crappe und den Postdoktoranden Dr. Gopal Chowdhary.

Wie Menschen und Tieren besitzen auch Pflanzen ein Immunsystem, das es ihnen erlaubt, sich gegen Krankheitserreger erfolgreich zur Wehr zu setzen. Peroxisomen spielen eine wichtige Rolle in der Resistenz gegen Schädlinge; beispielsweise wird das Pflanzenhormon Jasmonsäure in Peroxisomen synthetisiert. Wir versuchen, bislang unbekannte Peroxisomenproteine zu identifizieren, die relevant für die Abwehr von Pathogenen sind. So untersuchen wir, unter welchen Bedingungen und über welche Wege bestimmte Resistenzproteine in Peroxisomen dirigiert werden. Für andere Resistenzproteine interessiert uns, mit welchen Partnern sie interagieren und in welche Signaltransduktionswege sie involviert sind.

Diese Forschungsarbeiten werden gefördert durch das Projekt „Perox-MPI“ (2011-2015) des Norwegischen Forschungsrates und das EU Marie Curie Initial Training Network (ITN) „PERFUME“ (PERoxisome, FUnction, MEtabolism, 2013-2016) und werden bearbeitet durch die Postdoktoranden Dr. Kirsti Sørhagen und Dr. Gopal Chowdhary, die Doktorandin Delphine Crappe und die M. Sc.-Studentin Hanne Stølen (Universität Stavanger, Norwegen).

Mikroalgen (einzellige Algen) werden auch als „Agarpflanzen des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet, denn sie zeichnen sich durch hohe Wachstumsraten, effiziente Photosynthese, erstaunliche Anspruchs­losigkeit an Nährstoffe und Umweltbedingungen und hohe Biosyntheseraten biotechnologisch interessanter Produkte aus. So sind Mikroalgen beispielsweise in der Lage, Fette bis zu 20-30% ihres Trockengewichtes zu akkumulieren. Jedoch stecken die meisten Technologien zur kostengünstigen Produktion von Mikroalgen in Photobioreaktoren noch in den Anfängen.

Die Peroxisomen dieser Mikroalgen spielen eine wichtige Rolle für die Akkumulation von Fetten und Omega-3-Fettsäuren, da sie die Umsatzraten der Fettsäuren kontrollieren. Im Großen und Ganzen sind Peroxisomen von Mikroalgen noch weitestgehend unerforscht. Wir wollen verstehen, welche Reaktionen des Lipidstoffwechsels in Peroxisomen ablaufen, und versuchen, Strategien zu entwickeln, wie hohe Produktionsraten interessanter Bio-Produkte robust und kostengünstig erzielt werden können.

Diese Forschungsarbeiten werden gefördert durch das Projekt „Microalgae 2021“ (2013-2017) des Norwegischen Forschungsrates bearbeitet durch die Doktoranden Dmitry Kechasov und Manish Budathoki.

Biogenese und Abbau von Peroxisomen werden fein reguliert. Einerseits muss unter normalen Wachstumsbedingungen eine konstante Peroxisomenanzahl pro Zelle gewährleistet sein. Andererseits wird unter extremen und Stressbedingungen die zelluläre Peroxisomenzahl den aktuellen Bedürfnissen angepasst und beispielsweise hochreguliert, wenn Fettsäureoxidation, Metabolismus reaktiver Sauerstoffspezies oder Photorespiration intensiviert werden müssen.

In 2013 wurde weltweit erstmalig und von mehreren Arbeitsgruppen unabhängig voneinander experimentell und beispielhaft für Arabidopsis gezeigt, dass pflanzliche Peroxisomen durch den Mechanismus der Makroautophagie (pexophagy) abgebaut werden. Wir haben heterotrophe Tabak BY2-Zellsuspensionskulturen als Untersuchungssystem für das Studium der pflanzlichen Pexophagie etabliert und erstmalig nachgewiesen, dass Peroxisomen durch Pexophagie recycelt werden, und zwar nicht nur unter Mangelbedingungen, sondern auch unter besten Wachstumsbedingungen, höchstwahrscheinlich um oxidativ geschädigte Organellen auszutauschen (Voitsekovskaja et al., 2014).

Diese Forschungsarbeiten wurden gefördert durch ein DFG-Projekt der Deutschen Forschungs­gemeinschaft und bearbeitet durch Dr. Olga Voitsekovskaja (Komarov Botanical Institute, Russian Academy of Sciences, Saint Petersburg, Russia).