Forschung

Die Abteilung für Molekulare Zellbiologie der Tiere verwendet den Nematoden Caenorhabditis elegans als einen genetischen Modellorganismus für die Erforschung der molekularen Schutzmechanismen von Zellen. Der Fadenwurm Caenorhabditis elegans (kurz C. elegans) wurde 1963 von Sydney Brenner als Modellorganismus etabliert. Seither hat sich C. elegans als ein effizienter Organismus für die systematische Erforschung von Fragestellungen in fast allen Bereichen der Lebenswissenschaften erwiesen. Es konnten z.B. grundlegende Erkenntnisse hinsichtlich des Alterns, des programmierten Zelltods sowie neurodegenerativer Krankheiten mit Hilfe von C. elegans gewonnen werden. Durch diese Forschungserfolge wurden mehrfach Forscher, die mit C. elegans arbeiten, mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Diese Erfolge beruhen zum einen auf der Begebenheit, dass C. elegans der erste mehrzellige Organismus war, dessen Genom vollständig sequenzierte wurde. Aber auch darauf, dass das Genom von C. elegans mit Hilfe der klassischen Genetik analysiert werden kann. Durch die Anwendung moderner Technologien, wie z.B. Hochdurchsatzsequenzierung der DNA und RNA, Laser-Mikroskopie sowie das Editieren des Genoms anhand des CRISPR-Cas9 Genschere, hat sich das Tempo, mit der C. elegans einen tieferen Einblick in die molekularen Prozesse von Zellen ermöglicht, beschleunigt.

Unsere Arbeiten haben C. elegans als ein Modellorganismus für die Erforschung der Umprogrammierung (engl. Reprogramming) von Zellen etabliert. Wir haben in genomweiten Ansätzen neue Gene entdeckt, deren Abschaltung das Reprogramming von Zellen ermöglicht. Dabei fokussieren wir uns insbesondere auf solche Gene, die bei der Epigenetik und beim Metabolismus eine Rolle spielen. Aktuelle Forschungsarbeiten weisen darauf hin, dass metabolische und physiologische Prozesse mit der epigenetischen Regulation von Genen verknüpft sind und dadurch eine wichtige Rolle bei der Umprogrammierung von Zellidentitäten und Alterung Spielen. Daher können metabolische oder physiologische Beeinträchtigungen, die durch Ernährung, Mutationen oder bestimmte Infektionen verursacht werden, eine Abweichung der epigenetischen Regulation herbeiführen. Im Zuge dessen werden molekulare Schutzmechanismen für den Erhalt der Zellidentitäten geschwächt, wodurch Zellen ihre Funktionalität verlieren oder umprogrammiert werden können. Um beteiligten molekularen Prozesse zu entschlüsseln, verwenden wir neben hochauflösender Mikroskopie molekularbiologische Techniken zur Analyse der zell-spezifischen Genexpression (RNA-Seq) und Charakterisierung der Chromatinstruktur (ATAC-Seq) sowie Chromatinbindung von Proteinen (ChiP-Seq). Ein weiteres Verfahren ist die Messung von Metaboliten und Proteinen mit Hilfe der Spektroskopie-Technologie.

Einige epigenetische Mechanismen, die beim Schutz der Zellen wichtig sind, haben gleichzeitig einen Einfluss auf das Altern der Zellen und damit den gesamten Organismus. Unsere Forschungen haben mitunter den epigenetischen Faktor LIN-53 beschrieben, der Keimzellen davor schützt, dass diese in Neuronen (Nervenzellen) umgewandelt werden. Gleichzeitig ist LIN-53 wichtig für das gesunde Altern der Muskelzellen (healthspan) und wirkt dabei gleichzeitig einer Verkürzung der Lebenszeit (lifespan) durch die Regulation des Metabolismus entgegen. Für viele der epigenetischen Faktoren wie LIN-53, die wir als Schutzmechanismen in C. elegans entdeckt haben, gibt es sogenannte Homologe im Menschen, die in der Regel übereinstimmende Funktionen haben. So wurde unabhängig in verschiedenen Laboren eine entsprechende Funktion der LIN-53 Homologe auch in menschlichen Zellen nachgewiesen. Diese und viele weitere molekularen Prozesse in zellen bekräftigen eine beachtliche Konservierung zwischen Nematoden und Menschen. In diesem Zusammenhang haben wir auch für den epigenetischen Regulator FACT - sowohl in Nematoden als auch in menschlichen Zellen - eine wichtige Schutzfunktion zum Erhalt der Zellidentität und zelltypspezifischen Eigenschaften beschrieben. Generell ist unser Ziel zu einem besseren Verständnis der epigenetischen Mechanismen im Zusammenhang mit zellulären Schutzmechanismen und gesundem Altern beizutragen.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Forschung betrifft das Ausschalten (Shutdown) der anfänglichen Identität von umprogrammierten Zellen. Es hat sich herausgestellt, dass Gene, welche zum ursprünglichen Zelltyp gehören, nach der Umprogrammierung häufig noch eine Restaktivität aufweisen. Diese unvollständige Gen-Suppression schränkt die Funktionalität der umprogrammierten Zellen ein und kann sogar zu unkontrollierbaren Ereignissen, wie z.B. die Entstehung von Tumoren, führen. Derzeit fehlt es an Verfahren um die Gene des ursprünglichen Zelltyps zuverlässig auszuschalten, da die molekularen Prozesse des Shutdowns kaum untersucht wurden. Wir haben in C. elegans ein neues Phänomen entdeckt, das es uns ermöglicht, die Shutdown-Mechanismen in einem physiologischen Kontext zu erforschen. Unsere Forschung im Zusammenhang mit der Verknüpfung von Metabolismus und Epigenetik sowie des Shutdown könnten Hinweise zur Verbesserung der Qualität und Sicherheit von umprogrammierten Zellen liefern, die in Zukunft für die regenerative Medizin zum Einsatz kommen sollen.