Forschung
Wir untersuchen schnelle Anpassungsprozesse beim Wasserfloh Daphnia. Hierbei betrachten wir verschiedenen organisatorischen Ebenen vom Genom über molekulare Mechanismen bis hin zum Phänotyp und vom einzelnen Tier bis hin zu Populationen und Ökosystemen. Unser besonderer Schwerpunkt liegt in der zeitlichen Verfolgung von Evolution, sowohl in natürlichen Populationen als auch im Labor mit Hilfe von experimenteller Evolution.
Unsere aktuellen Projekte befassen sich mit spezifischen Fragen innerhalb der folgenden Forschungsthemen:
Anpassung an toxische Cyanobakterien im Artenkomplex Daphnia longispina
Toxische Cyanobakterien, insbesondere wenn sie in großen Mengen während der sogenannten „Algenblüte" auftreten, stellen eine Bedrohung für aquatische Ökosysteme und die menschliche Gesundheit dar. Es ist bekannt, dass sich Daphnien schnell an giftige Cyanobakterien anpassen können. Dies hat sogar praktische Anwendungen, da diese toleranten Daphnienlinien sogar ein Mittel zur Eindämmung von Cyanobakterien-Massenentwicklungen sein können.
Wir untersuchen die genomischen und molekularen Grundlagen der Cyanobakterien-Toleranz in Daphnien. Hierfür analysieren wir sowohl genomische Zeitreihen und als auch die lokalen Anpassungen in Organismen aus Lebensräumen mit unterschiedlicher Cyanobakterienbelastung.
Saisonale Veränderungen in einer natürlichen Daphnienpopulation und Auswirkungen auf vorteilhafte Phänotypen
Wir wollen eine Verbindung zwischen vorteilhaften Phänotypen und stark abundanten Genotypen herstellen, indem wir das Wissen über saisonale Veränderungen abiotischer und biotischer Faktoren im Ökosystem See nutzen. In diesem Zusammenhang werden die mitunter drastischen saisonalen Veränderungen der Wassertemperatur, des Sauerstoff- und Nährstoffgehalts und die daraus resultierende Sukzession verschiedener Planktongruppen genau charakterisiert. Unklar ist, ob sich diese Veränderungen auch in raschen mikroevolutiven Veränderungen der Populationsstruktur widerspiegeln bzw. durch plastische Reaktionen abgefangen werden können und zum Auftreten von sogenannten Superklonen führen.
Wir gehen dieser Frage am Beispiel einer natürlichen Daphnienpopulation in einem 20 Jahre alten Kiesgrubensee am Niederrhein nach. Dieser See ist Teil des Long Term Ecological Research (LTER) Projekts REES, bei dem ich mit Kollegen der Universität Köln zusammenarbeite. Im Rahmen des Projekts werden ab 2021 regelmäßig biotische und abiotische Daten für verschiedene Seen in der Region erhoben. Basierend auf diesen Daten aus dem See und Zeitreihen der lokalen Daphnienpopulation werden wir die genomischen Veränderungen in der Population im Laufe der Saison charakterisieren und sie mit den entsprechenden Umweltfaktoren abgleichen. Wir werden analysieren, ob bestimmte Genotypen mit bestimmten Umweltfaktoren korrelieren oder ob dieselben Genotypen als Generalisten das ganze Jahr über die häufigste Fraktion sind.
Die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf eine Daphnienpopulation
Wir nutzen experimentelle Evolution, um die Auswirkungen einer Erwärmung um 3°C auf die Populationsstruktur und Anpassungsprozesse in experimentellen Daphnienpopulationen zu analysieren. Im Gegensatz zu Studien an natürlichen Populationen erlaubt uns dieser Ansatz, die Umweltveränderungen unter streng kontrollierten Bedingungen und mit Hilfe von Replikaten zu untersuchen. Das Evolutionsexperiment basiert auf einer natürlichen Population und wird in Replikaten bei zwei verschiedenen Temperaturbedingungen (20°C und 23°C) durchgeführt. Wir werden genomische Zeitreihen untersuchen, um auffällige Genotypen zu erkennen und ihre phänotypischen Merkmale zu bestimmen. Darüber hinaus wird das Experiment so angelegt, dass verschiedene Hypothesen zur Temperaturanpassung getestet werden können. So werden wir beispielsweise analysieren, ob parallele Evolutionsprozesse auf genomischer Ebene stattfinden oder ob die polygene Natur der Temperaturanpassung zur Dominanz verschiedener Genotypen in jeder Populationswiederholung führt, die jedoch ein ähnliches Fitnessniveau aufweisen.