Immungene beeinflussen das Risiko von Lungenkrebs
23. Februar 2024

Foto: C. Krishna / Science Magazine
Die Abteilung für evolutionäre Immunogenomik des Fachbereichs Biologie war an einer kollaborativen Forschungsstudie beteiligt, die Licht wirft auf die seit langem geführte Debatte über die Rolle des Immunsystems beim Schutz vor Krebs.
In dieser Studie untersuchten die Forschenden den Einfluss genetischer Variationen im humanen Leukozytenantigen (HLA)-Locus auf das Lungenkrebsrisiko, wobei sie Daten aus zwei großen öffentlichen Datenbanken (UK Biobank und FinnGen) sowie genomische Analysen verwendeten. Die in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass Heterozygotie an den HLA-Klasse-II-Loci (HLA-II) mit einem geringeren Lungenkrebsrisiko verbunden ist, insbesondere bei aktiven und ehemaligen Raucher:innen. Umgekehrt war die HLA-II-Homozygotie mit einem erheblichen Lebenszeitrisiko für die Krankheit verbunden, unabhängig von anderen bekannten Risikofaktoren.
Seit langem wird davon ausgegangen, dass eine erhöhte genetische Vielfalt an den HLA-Loci, z. B. durch Heterozygotie, zu einer erhöhten Immunkompetenz führt, da die verschiedenen HLA-Moleküle ein breiteres Repertoire an Antigenen präsentieren. Bislang wurde dies jedoch hauptsächlich im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten betrachtet. Diese Studie liefert nun Hinweise dafür, dass HLA-Heterozygotie auch im Zusammenhang von Krebs einen Vorteil bietet, möglicherweise durch die Präsentation eines breiteren Repertoires von krebsassoziierten Neoantigenen.
Die Studie befasste sich auch mit den molekularen Mechanismen, die dem Zusammenhang zwischen HLA-Variabilität und Lungenkrebsrisiko zugrunde liegen. Bei der Analyse von Tumorgenomen aus verschiedenen Kohorten wurde ein weit verbreiteter Verlust von Heterozygotie (LOH) der HLA-II-Loci bei Lungenkrebs festgestellt, was die Bedeutung dieser genetischen Variationen für die Krebsentwicklung unterstreicht. Darüber hinaus wurden bei der Untersuchung des Neoantigen-Repertoire Unterschiede zwischen Tumoren mit und ohne HLA-II-LOH festgestellt, was die Rolle der HLA-II-Loci und der CD4+ T-Zellen-Antwort bei der Lungenkrebsentstehung unterstreicht. Insgesamt vertiefen diese Ergebnisse unser Verständnis des Zusammenspiels zwischen genetischen Faktoren, Immunkompetenz und Umwelteinflüssen bei der Krebsanfälligkeit. Dies könnte Informationen für künftige Strategien zur personalisierten Krebsprävention und -behandlung liefern, aber auch Einblicke in die Mechanismen liefern, die während der menschlichen Evolution zu einer hohen immungenetischen Variation geführt haben.
Originalpublikation:
Krishna C, Tervi A, Saffern M, Wilson EA, Yoo S-K, Mars N, Roudko V, Cho BA, Jones SE, Vaninov N, Selvan ME, Gümüş ZH, FinnGen§, Lenz TL, Merad M, Boffetta P, Martínez-Jiménez F, Ollila HM, Samstein RM, Chowell D (2024) An immunogenetic basis for lung cancer risk. Science 383(6685): eadi3808. doi:10.1126/science.adi3808