07 - Kritische Beleuchtung
Der Einsatz von Modellorganismen führt in der Öffentlichkeit immer wieder zu kontrovers und emotional geführten Debatten. Betrachte die folgenden drei fiktiven Szenen*. Welche Hürden und/oder Potentiale für einen offenen und vorurteilsfreien Dialog kannst du erkennen?
1. Vom Labor aufs Feld
Martin forscht an Pflanzen und entwickelt Wege, um den Ertrag von Rapsernten zu steigern. Heute Morgen fällt ihm ein, dass er doch vor einer Weile einem Landwirt Rapssamen für Versuchszwecke aus seinem Labor zukommen lassen hat. Er greift schnell zum Hörer und ruft den Landwirt Robert an…

Tatsächlich hat Robert recht: Raps ist nicht die gleiche Pflanzenart wie die Ackerschmalwand. Allerdings sind die beiden Arten sehr nah miteinander verwandt. Im Gegensatz zum Raps, ist die Ackerschmalwand aber viel einfacher zu kultivieren und braucht sehr wenig Platz. Aus diesem Grund wird die Ackerschmalwand oft als Modellorganismus gewählt und mit ihr werden dann, stellvertretend für bestimmte Nutzpflanzen, Experimente durchgeführt. Forscher:innen versuchen später, die Ergebnisse auf diese Pflanzenarten zu übertragen. Leider sind nicht alle Pflanzen genetisch identisch, selbst wenn sie von der gleichen Art sind. Deshalb stellt die Übertragung der Ergebnisse auf andere Pflanzen oft einen Stolperstein in der Entwicklung neuer Verfahren dar. Letztendlich sind die Bedingungen im Labor anders als in der Realität.
Was denkst Du? Ist das Arbeiten an Modellorganismen sinnvoll oder sollte direkt am Zielorganismus gearbeitet werden?
2. Ist doch alles das Gleiche, oder?
Elke und Sabine sind wie jeden Mittwoch zum Kaffeetrinken verabredet. Sie kennen sich durch Ihre Ehemänner, die beide an Mikroorganismen forschen und vor zwei Jahren gemeinsam an einem Projekt gearbeitet haben. Elke und Sabine unterhalten sich immer mal wieder gerne über die Arbeit ihrer Männer…

Genau! An Escherichia coli wurden Dinge wie die Verdopplung der DNA und die Fortbewegung von Bakterien zum ersten Mal beobachtet. Das Darmbakterium ist schon seit langem ein guter Modellorganismus in der Mikrobiologie, weil es leicht zu kultivieren ist. Außerdem ist seine DNA seit 1977 komplett sequenziert. Allerdings sind Stämme derselben Art manchmal sehr unterschiedlich. So haben Forscher*innen nicht immer denselben Organismus zum Experimentieren vorliegen, obwohl es doch dieselbe Art ist. Die E. coli aus dem einen Labor, zeigen also nicht unbedingt die gleiche Reaktion im selben Experiment, wie in einem anderen Labor. Aus diesem Grund hat sich Elkes Mann dafür entschieden, sich nicht auf den Modellorganismus zu beschränken, sondern gleich an vielen verschiedenen Mikroorganismen zu arbeiten.
Was meinst Du? Sollten Forscher:innen in der Mikrobiologie weiter mit E. coli arbeiten, weil das Bakterium schon so gut erforscht ist? Oder sollte mehr an anderen Mikroorganismen gearbeitet werden?
3. Zwischen Ethik und Wissenschaft
Tanja arbeitet in einem Labor für Krebsforschung. Als sie heute nach Feierabend das Labor verlässt, hört sie schon durch das Treppenhaus lautes Geschrei von draußen. Unten angekommen öffnet sie vorsichtig die Ausganstür und trifft auf die wütende Merle, die den Ausgang blockiert, weil sie etwas an Tanjas Arbeit auszusetzen hat…

Tanja hört immer wieder von Menschen, die etwas gegen die Arbeit an Tieren im Labor haben. Sie kann diese Leute verstehen: Die Tiere werden in den Experimenten körperlich und psychisch belastet und auch verletzt. Dieses Leben haben sie sich nicht selbst ausgesucht, sondern die Forscher:innen für sie bestimmt. Die Entscheidung, ob tierische Modellorganismen zum Einsatz kommen, wird aber nicht leichtfertig getroffen, sondern ist gut überlegt. Das Forschen an Modellorganismen, wie der Maus, hat der Wissenschaft schon zu vielen Fortschritten verholfen. Mithilfe dieses Organismus wurden notwendige Medikamente entwickelt und Entdeckungen in der Immunbiologie gemacht. Die Maus ist außerdem gut für Experimente geeignet, weil sie viele Nachkommen auf einmal produziert, ein komplexes Immunsystem besitzt und uns Menschen in ihrer Körperstruktur stark ähnelt. Trotzdem sind nicht alle Ergebnisse aus Experimenten am Modellorganismus Maus auf den Menschen übertragbar. Entzündungen verlaufen bei Mäusen zum Beispiel anders als bei uns. Forscher:innen arbeiten deshalb daran, Computersimulationen zu programmieren, um Tiere als Modellorganismen ersetzen zu können.
Was meinst Du? Ist das Experimentieren an lebenden Mäusen durch den heutigen Fortschritt gerechtfertigt? Oder sollten Wissenschaftler:innen mehr Zeit investieren, um eine virtuelle Alternative zu entwickeln?
* Die Handlungen und Personen der Szenenbeispiele sind zur Veranschaulichung frei erfunden. Jedwede Ähnlichkeiten und Zusammenhänge mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
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LITERATUR
- https://sciencev2.orf.at/stories/1737492/index.html, abgerufen am 17.12.20
- http://metaorganismus.kisoc.de/wp-content/uploads/2018/09/NEU_Gruppenpuzzle_Maus-1.pdf, abgerufen am 17.12.20
- https://www.mpg.de/10888337/maus, abgerufen am 17.12.20