ForschungIm Netz der Wespenspinne
16. Mai 2019, von Website Team Biologie
Die Spinnen mit über 48 000 beschriebenen Arten sind als Insektenfresser von großer ökologischer Bedeutung. Spinnen haben eine schlechte Reputation, man fürchtet sie und findet sie eklig. Oft liegt das nur daran, dass wir viel zu wenig über diese faszinierenden Tiere wissen.
In der AG Verhaltensbiologie erforschen wir das Verhalten von diversen Spinnen, vor allem aber solchen, die sogenannte Radnetze bauen, wie die Wespenspinne Argiope bruennichi. Die Art hat sich in den vergangenen 100 Jahren vom Mittelmeerraum weit nach Nordeuropa ausgebreitet. Sie ist in Hamburg sehr häufig und obwohl sie eine auffällige Zeichnung hat, ist sie in den Wiesen, in denen sie ihre Netze baut, nicht einfach zu finden. Wir suchen und sammeln Weibchen und Männchen dieser Spinnen von Wiesen im Großraum Hamburg, um deren Verhalten der Tiere in der Natur oder im Labor zu studieren.
Wespenspinnen fangen große Insekten, wie zum Beispiel Heuschrecken und haben eine spezielle Technik, die „wrap attack“, mit der sie große und gefährliche Beute blitzschnell unschädlich machen. Dabei ziehen sie mit den Hinterbeinen tausende von Spinnfäden aus den Spinnwarzen und wickeln das Insekt wie in Klarsichtfolie ein. Erst dann nähern sie sich der Beute, um Gift und Verdauungssäfte zu injizieren. Spinnen verdauen extern, das heißt, sie spucken Verdauungssäfte in die Beute, und saugen die verflüssigte Beute dann aus.
Uns interessiert die Paarung bei diesen Spinnen ganz besonders. Die wesentlich kleineren Männchen werden von paarungsbereiten Weibchen mithilfe von Lockstoffen angelockt. Die geschlechtsreifen Männchen müssen durch das Fangnetz zum Weibchen gelangen und sich entsprechend als Paarungspartner identifizieren, damit die Spinne sie nicht mit Beute verwechselt. In der Nabe angekommen, „bezirzt“ das Männchen das Weibchen, indem es um sie herumtanzt und dabei Seidenfäden um ihren Körper schlingt, bis das Weibchen die Paarungsstellung eingenommen hat. Das Männchen sitzt unterhalb des Weibchens und kopuliert, indem es einen Pedipalpen verhakt und in eine Geschlechtsöffnung einführt.
Die Pedipalpen sind zu Begattungsorganen umgebaute Vorderbeine, mit denen Spinnenmännchen ihre Spermien (die sie zuvor aufgenommen haben) in die Geschlechtsöffnungen der Weibchen überträgt. An den verdickten Enden dieser Pedipalpen kann man die erwachsenen Männchen aller Spinnen sehr gut erkennen. Die Paarung bei Wespenspinnen ist ein extrem schneller Akt und das Weibchen greift das Männchen sofort an. Das Männchen hat maximal 10 Sekunden Zeit, um seine Spermien zu übertragen und die Geschlechtsöffnung des Weibchens zu verschließen, damit kein weiteres Männchen kopulieren kann.
Die meisten Männchen überleben ihr „erstes Mal“ nicht und lassen somit die zweite Geschlechtsöffnung des Weibchens frei für ein anderes Männchen, sodass die Nachkommen des Weibchens zwei Väter haben. Die Männchen, die überleben, kommen meist zurück und paaren sich ein zweites Mal mit dem gleichen Weibchen. Damit sind sie alleiniger Vater aller Nachkommen dieses Weibchens und haben ihren maximalen Fortpflanzungserfolg erreicht. Die Pedipalpen der Wespenspinnenmännchen werden für den Verschluss der Geschlechtsöffnung abgebrochen und sind danach nutzlos. Das heißt auch, dass das Männchen sich beim zweiten Mal auch nicht mehr dagegen wehrt, vom Weibchen eingewickelt und gefressen zu werden.
Er hat schließlich nichts mehr zu verlieren.
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