Es bleibt in der Familie
Jutta Krüger, 06.04.2021
Was für den Frühling die allgegenwärtige Primel in Topf und Beet ist, ist für den Frühsommer die Geranie. Ab Mai entfaltet sie ihre ganze Blütenpracht von rot über rosa bis weiß in Balkonkästen, Schalen, Beeten und Blumenampeln. Sie ist pflegeleicht und eine der beliebtesten Balkon- und Gartenpflanzen.
Ganz pedantisch durch die Botaniker-Brille betrachtet, heißt sie eigentlich Pelargonie. Beide gehören zu der Pflanzenfamilie der Storchschnabelgewächse. Schaut ihr Euch ihre markanten Früchte an, so ist dieser Name auch sehr naheliegend.

Geranie/Pelargonie, ist das denn nicht das gleiche und wenn nicht warum? In Euren Familien sähe es ungefähr so aus. Eure Eltern haben Kinder, das sind eure Geschwister. Eure Tanten und Onkel haben auch Kinder, das sind aber eure Cousins und Cousinen. Alle sind miteinander verwandt aber in einem unterschiedlichen Grad. Genau wie in den Pflanzenfamilien.
Ich gehe jetzt mal ein ganzes Stück in der Zeit zurück, in das 18. Jahrhundert zu Carl von Linné. Er setzte in der Botanik ein Ordnungssystem mit der binären Nomenklatur (Namensgebung) durch. Dabei wird jeder Pflanzenart ein Gattungs- und ein Artname zugeordnet, um sie so von allen anderen zu unterscheiden, wie bei uns mit den Nach- und Vornamen. Ich bin Krüger, Jutta, mein großer Bruder Krüger, Bernd. Er wäre Geramium pratense, ich wäre Geramium pusillum. Meine Cousine ist aber Pelargonium zonale.

Wie ist es jetzt aber überhaupt zu dieser Verwirrung mit Geranie/Pelargonie gekommen? Unsere Zierpflanzen-Pelargonien stammen aus Südafrika. Um 1700 etwas rum werden die ersten Exemplare gesammelt und von einigen Botanikern als Pelargonium bezeichnet. Etwa gleichzeitig ordnet Linné ihm bekannte Exemplare aber in sein System bei der Art Geranium ein. Die Einordnung ist nicht unverrückbar, sie wird bis heute immer nach neuen Erkenntnissen überarbeitet. Wichtig ist auch, wer ein typisches Exemplar zuerst beschrieben, benannt und als Herbarblatt hinterlegt hat. So wird am Ende Pelargonium erneut als eigene Gattung aufgeführt.
Wenn auf diese Weise zwei (oder auch noch mehr) Namen für eine Pflanzenart in der Nomenklatur auftauchen heißt das Synonym. Geranium ist damit immer noch ein Synonym für die in der Nomenklatur aktuelle gültige Bezeichnung Pelargonium.
Im Alltäglichen benutzen wir nicht die wissenschaftlichen Namen, sondern die Trivialnamen und sagen kurz „Geranie“. Dieser von Geranium abgeleitete Name ist auch immer noch für die Pelargonium-Arten sehr viel üblicher als „Pelargonie“. Hier das passende Linné-Zitat zu diesen Alltagsnamen: „Ein gültiger Name für eine Art sollte die Pflanze von allen anderen ihrer Gattung unterscheiden; ihr Trivialname kann unabhängig von jeglichen Regeln gewählt werden.“ Und mit diesem Segen vom Vater der modernen Nomenklatur können wir uns zu Beginn des Sommers auch weiterhin mit ruhigem Gewissen an üppig blühenden Geranien freuen.

Die Namen der Pflanzenfamilien werden in der Nomenklatur meist nach einer weitverbreiteten oder bekannten Gattung benannt. Die Storchschnabelgewächse heißen deshalb Geraniaceae nach der Gattung Geranium. Meist leiten sich diese Namen aus den früher üblichen Gelehrtensprachen Latein und Griechisch ab.
Zum Schluss noch ein Nomenklatur Joke. Geranium kommt von dem griechischem „geranos“ für Kranich. Der deutsche Name müsste bei korrekter Übersetzung also Kranichschnabelgewächse heißen. Und welcher Vogel sieht ganz ähnlich aus? Richtig, der Storch, er ist griechisch „pelargos“ und steht für „Pelargonium“ Pate. Tusch! Damit haben die Pelargonien das Rennen um die deutsche Meisterschaft der Namensgebung in der Disziplin „Familie“ ganz klar gewonnen.
Wie bitte? Einige haben aber eben bei „großer Vogel mit langem Schnabel“ an den Reiher gedacht? Bitteschön, auch er mischt namensgebend in dieser Familie mit. Für die Gattung Erodium, dem Reiherschnabel, ist das Lateinische Wort „herodionem“ der Ursprung. Und nein, Löffler und Ibisse kommen nicht vor.