Diskussion zur Auswahl ökologischer Merkmale in der DiversitätsforschungWie die Auswahl der pflanzlichen Merkmale das Analyseergebnis beeinflussen kann
7. Juli 2023, von Website Team Biologie

Foto: UHH/Bio
Die Eigenschaften ihrer Wurzeln sind vermutlich entscheidend, um die Form und Funktion von Pflanzen in ihrem ökologischen Kontext verstehen zu können. Eine Studie unter Beteiligung der Universität Hamburg beleuchtet, wie die Auswahl der pflanzlichen Merkmale, der sogenannten Functional Traits, die Schlussfolgerung zur ökologischen Rolle von Wurzeln maßgeblich verändern kann. Diese Diskussion wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Pflanzenwurzeln bleiben im Allgemeinen unter der Erdoberfläche verborgen. Doch ihre Rolle für das Überleben von Pflanzen ist nicht zu unterschätzen, denn sie dienen der Aufnahme von Wasser und Nährstoffen. Wenig ist bislang darüber bekannt, in welcher Beziehung funktionelle Wurzeleigenschaften zu funktionellen Blatteigenschaften stehen und ob es Muster in deren Wechselwirkung gibt. Ein internationales Forschungsteam hat nun Schlussfolgerungen für die Bedeutung der Auswahl der ökologischen Traits dargelegt.
Prinzipien der Trait-Auswahl für die Schlussfolgerung entscheidend
Zwei Publikationen aus dem Jahr 2021 (Carmona et al. 2021, Weigelt et al. 2021) haben die Bedeutung von Wurzeln für das Verständnis von Form und Funktion der Pflanzen untersucht und sind auf Grundlage weitgehend übereinstimmender Daten zu entgegengesetzten Schlussfolgerungen gekommen. In der nun erschienenen Veröffentlichung in Nature haben Forschende zwei Gründe dafür herausgearbeitet.
„Wir haben herausgefunden, dass die Anzahl der untersuchten Eigenschaften und ihre ökologische Rolle kritisch für das Analyseergebnis sind“, sagt Prof. Dr. Ina Meier vom Fachbereich Biologie der Universität Hamburg und Mitautorin der Studie. „Wenn nur Eigenschaften in die Analyse eingingen, die der Aufnahme von Ressourcen, also von Kohlenstoff im Fall der Blätter und von Nährstoffen im Fall der Wurzeln, dienen, konnten wir einen Zusammenhang zwischen Blatt- und Wurzeleigenschaften finden. Wenn zusätzlich aber auch Eigenschaften analysiert wurden, die nicht direkt mit der Aufnahme von Ressourcen in Verbindung stehen, wie z.B. spezifische Stammdichte, Pflanzenhöhe oder Samenmasse, wurde kein Zusammenhang zwischen Blatt- und Wurzeleigenschaften gefunden.“ Die Forschenden schlussfolgern daher, dass Art und Anzahl der untersuchten Pflanzeneigenschaften globale Aussagen zur Funktion von Pflanzen in unterschiedliche Richtungen lenken können.
Biologisches Verständnis wichtiger als statistische Verallgemeinerung
Ein weiterer Grund für das gegensätzliche Ergebnis der beiden oben genannten Studien liegt in der statistischen Analyse der Ergebnisse. In der sogenannten multivariaten Statistik, die mehrere Variablen gleichzeitig untersucht, können die Variablen in mehrdimensionalen Räumen so lange gedreht werden, bis sie ein zuvor definiertes Kriterium erfüllen. Diese Drehung verändert aber auch die Position der zugrundeliegenden Variablen, auch wenn dies nicht direkt sichtbar ist, und damit auch deren Interpretation. Zusätzlich deutet die Assoziation der Variablen der beiden oben genannten Studien mit mehreren Hauptachsen des mehrdimensionalen Raums auch auf Flexibilität bei der biologischen Koordination der untersuchten Pflanzeneigenschaften hin. „Wenn wir besser verstehen, welche Prinzipien der Koordination zwischen Blatt- und Wurzeleigenschaften zugrunde legen, können wir auch bessere Vorhersagen zur Reaktion von noch wenig erforschten oder unbekannten Pflanzenarten und von diversen und komplexen Pflanzenbeständen auf das sich verändernde Klima und den globalen Wandel treffen“, sagt Meier.
Die Forschung wurde unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Sie ist hervorgegangen aus der sDiv-Arbeitsgruppe sROOT, in der internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Australien, Estland, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und den USA gemeinsam an wissenschaftlichen Fragen rund um die Funktionalität von Wurzelmerkmalen gearbeitet haben. Die Leitung der beschriebenen Studie lag bei dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung.
Originalveröffentlichung
Alexandra Weigelt, Liesje Mommer, Karl Andraczek, Colleen M. Iversen, Joana Bergmann, Helge Bruelheide, Grégoire T. Freschet, Nathaly R. Guerrero-Ramírez, Jens Kattge, Thom W. Kuyper, Daniel C. Laughlin, Ina C. Meier, Fons van der Plas, Hendrik Poorter, Catherine Roumet, Jasper van Ruijven, Francesco M. Sabatini, Marina Semchenko, Christopher J. Sweeney, Oscar J. Valverde-Barrantes, Larry M. York, M. Luke McCormack, The importance of trait selection in ecology,
Nature (2023) 618: E29-E30.
DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-023-06148-8