Forschung
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Projekte der Morphologischen Strukturanalyse
Der Fokus der Arbeitsgruppe liegt im Bereich Lebenszyklus und Fortpflanzung sowie Kultur und Zucht von Nesseltieren. Wichtige Forschungsaspekte sind die Untersuchungen von Schweresinnesorganen bei den Rhopaliophora und Untersuchungen von Nesselzellen für die Aufklärung taxonomischer und phylogenetischer Zusammenhänge innerhalb der Cnidaria.
Schweresinnesorgane
Ephyren und Medusen leben überwiegend pelagisch in der freien Wassersäule. Sie bestehen zu 95-98 % aus Wasser und ihr Weichkörper durchläuft während der Entwicklung wechselnde Phasen von Wachstum und Schrumpfung. Für die Orientierung im Raum sind meist Randorgane am Schirmrand vorhanden. Die Randorgane der Scypho- und Cubozoen sind sehr komplexe Sinnesorgane (Rhopalien), die an ihrem distalen Ende eine Statocyste beherbergen. Diese Statocyste ist aus Zellen aufgebaut, die anorganische Kristalle (Statolithen) enthalten, die die einzige Hartstruktur der Tiere darstellen und im Zusammenspiel mit Sinnescilien als Schweresinnesorgan dienen. Die Statolithen aller bislang untersuchten Rhopaliophora bestehen aus Calciumsulfat Subhydrat. Analysen des Statolithenmaterials (Einkristallanalysen) werden in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Chemie der Uni Hamburg (Dr. Frank Hoffmann) durchgeführt. Die Statocyste ist bei verschiedenen systematischen Gruppen unterschiedlich ausgebildet und wächst im Laufe der Individualentwicklung der Tiere. Die Statolithen reagieren weniger stark auf wechselnde Umwelteinflüsse wie z.B. Nahrungsangebot als der Weichkörper und eignen sich deshalb besser für Wachstums- und Altersanalysen. Eine Altersbestimmung ist aufgrund der Morphologie der Tiere nicht möglich, ist aber wünschenswert, da sie Aufschluss über den Ursprungsort der Tiere geben könnte und eine Vorhersage von Massenauftreten von Quallen ermöglichen würde. Die Anzahl der Kristalle in der Statocyste ist zu Beginn der Entwicklung niedrig, nimmt im Laufe der Entwicklung zu und kann bei einer ausgewachsenen Meduse mehrere tausend betragen. Statolithen können sehr unterschiedlich geformt sein und können ihre Form im Laufe der Entwicklung verändern, so verschmelzen z.B. bei Cubomedusen die anfänglich einzelnen Kristalle zu einem einheitlichen großen Statolithen. Statolithen und auch Statocysten zeigen aber spezifische Merkmale, die für taxonomische Zwecke genutzt werden könnten. In der Arbeitsgruppe finden Methoden wie Lichtmikroskopie (Slide Scanning), konfokale Laserscanningmikroskopie, Raster- und Transelektronenmikroskopie und Mikrotomografie Anwendung. Die mikrotomografischen Analysen werden in Zusammenarbeit mit dem Zoologischen Institut der Uni Greifswald (PD Dr. Peter Michalik, Dr. Jakob Krieger) durchgeführt. Eine wichtige Grundlage für unsere Untersuchungen ist die Kultivierung und Anzucht von lebenden Tieren. Wir untersuchen insbesondere die Statocysten und Statolithen der Rhopaliophora, um die erhobenen Daten für die Analyse taxonomischer und phylogenetischer Zusammenhänge zu nutzen; die Entwicklung einer Altersbestimmung wird für die fünf Nordseearten angestrebt. Die Forschungsaktivitäten an Schweresinnesorganen werden in Zusammenarbeit mit Dr. Sabine Holst (DZMB) durchgeführt.
Nesselzellen
Die Nesselzellen (Cnidozyten) sind eine Struktur, die bei allen Nesseltieren vorhanden ist. Es gibt sehr viele unterschiedliche Typen von Nesselkapseln (Cniden, enthalten in den Nesselzellen), die als Nesselkapselntaxonomisches Merkmal zur Unterscheidung von Arten herangezogen werden können. Die Nesselkapseln sind bislang überwiegend mit lichtmikroskopischen Methoden untersucht worden. Diese Methoden erlauben eine Einordnung der Kapseln in Kategorien je nach Kapselform, Schaft- und Nesselfadentyp. Untersuchungen der feineren Details, wie z.B. der Bedornung der Nesselfäden sind mit der Lichtmikroskopie nur eingeschränkt möglich; deshalb sind ergänzend für Detailuntersungen Analysen mit dem Rasterelektronenmikroskops notwendig. Umfassende und detaillierte Untersuchungen insbesondere aller Lebensstadien (Planula, Polyp, Ephyre, Meduse) fehlen bei vielen Arten. In der Arbeitsgruppe werden lichtmikroskopische und rasterelektronenmikroskopische Nesselkapseluntersuchungen an Scyphozoen in Zusammnenarbeit mit Dr. Sabine Holst (DZMB) durchgeführt.
Lebenszyklen und Fortpflanzung
Drei der vier Taxa der Cnidaria haben primär einen Lebenszyklus mit einem Generationswechsel. Die Polypengeneration ist meist klein, unscheinbar und sessil und produziert ungeschlechtlich die überwiegend pelagische Medusengeneration. Die Medusen produzieren auf geschlechtlichem Wege die Planulalarven, die sich nach dem Festsetzen in Polypen umwandeln. Obwohl dieser Lebenszyklus typisch für die meisten Hydrozoen, Scyphozoen und Cubozoen ist, gibt es doch einige Ausnahmen. Bei einigen Arten (z.B. Pelagia noctiluca, Periphylla periphylla) ist die Polypengeneration reduziert und aus der Planulalarve entsteht direkt wieder eine Meduse. Bei anderen Arten ist die Medusengeneration unterschiedlich stark reduziert. Dies hat einen Einfluss auf die Fortpflanzungsweise; die Tiere sind zwittrig (Nausithoe eumedusoides) oder pflanzen sich parthenogenetisch (Thecoscyphus zibrowii) oder rein vegetativ (Nausithoe planulophora) fort. Erst in letzter Zeit ist bekannt geworden, dass es nicht nur bei Cubozoen sondern auch bei Scyphozoan zu besonderen Paarungsverhalten kommt. Die Lebenszyklen vieler Arten und ihre Fortpflanzungsweisen sind immer noch nicht vollständig bekannt. In der Arbeitsgruppe wird auf Basis von Untersuchungen an lebenden Tieren an der Aufklärung von Lebenszyklen und Fortpflanzungsweisen gearbeitet. Grundlage für diese Untersuchung ist die Dauerhafte Haltung von Polypenkulturen (ca. 30 Arten) und die Anzucht und Aufzucht von Ephyren und Medusen. Wir stehen im Austausch mit verschiedenen Institutionen wie dem Multimar Wattforum, dem Aquarium Berlin, dem Zoo Duisburg und Prof. André C. Morandini (Universität Sao Paulo), um die Kultivierungsprotokolle zu optimieren und die Arten dauerhaft in Kultur zu erhalten.
Anzucht und Pflege von Lebendkulturen
Die Anzucht und Pflege von Lebendkulturen ist auch eine wichtige Grundlage für die Lehre. Fünf Aurelia-Arten werden in großem Umfang für Unterrichszwecke gehalten. Zu den weiterhin vorhandenen Kulturen gehören Einzeller wie z.B. Amoeba proteus, Blepharisma japonicum, Blepharisma americana, Paramecium caudatum, Thecamöben, Chlorococcum sp. und Nanochloropsis salina; außerdem mehrzellige Tiere wie z.B. Polychaeten (Ophryotrocha sp. u.a.), Oligochaeten, Plathelminthen, Rotatorien (Brachionus plicatilis), Gastropoden (Helix pomatia, Biomphalaria glabrata), Crustaceen (Tisbe holothuriae, Artemia salina, u.a.) sowie Tardigraden (Hypsibius durjardini).