Molekulare Systematik und Phylogenetik
Wichtigstes Ziel der Systematik ist es, den wahrscheinlichsten Verlauf der Evolution zu rekonstruieren. Das Problem dabei: niemand hat die Evolution verfolgt und dokumentiert, deshalb wird es auch nie Gewissheit geben, ob eine Rekonstruktion wirklich korrekt ist. Wir können uns also nur auf Indizien stützen. Selbstverständlich sind Fossilien eine wichtige Informationsquelle, aber bei Pflanzen kann sehr viel weniger als bei Tieren von einem gefundenen Teil auf den gesamten Organismus geschlossen werden – und pflanzliche Fossilien sind in aller Regel sehr bruchstückhaft.
Deshalb sind die Merkmale der heute lebenden Arten die wichtigsten Anhaltspunkte zur Rekonstruktion der Stammesgeschichte (Phylogenie). Dabei hat die molekulare Systematik unschätzbare Vorteile:
- die Merkmale haben klar getrennte Zustände, nämlich die vier Basen der DNA, Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin (A, C, G, T),
- die Merkmale sind sehr zahlreich, nur begrenzt durch die Größe des Genoms, was eine statistische Auswertung ermöglicht,
- im Gegensatz zu vielen morphologischen Merkmalen werden die Merkmale der DNA nicht direkt durch aktuelle Umweltbedingungen beeinflusst.
Daher lesen wir im Erbgut der Pflanzen und versuchen, aus den dabei gewonnenen Daten den Verlauf der Evolution zu errechnen. Das führt zu Stammbäumen zuvor unbekannter Präzision, mit Angaben statistischer Wahrscheinlichkeiten für jeden Zweig. Doch ein Stammbaum ohne biologische Informationen über die Arten ist nur ein Verzweigungsmuster. Deshalb brauchen wir Daten aus der traditionellen Taxonomie einschließlich Morphologie und Anatomie, aus der Ökologie und Pflanzengeographie, um diesen Mustern Leben einzuhauchen.